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Internationales Drehorgelfestival in Ostfriesland

„Musik für alle“: Drehorgel als Musikinstrument zur demokratischen Identitätsstiftung

Termin: 27. September bis 01. Oktober 2023

Schirmherrschaft MdEP Tiemo Wölken, Osnabrück


Theoretische Überlegungen

Drehorgelmusik avancierte 2017 zum UNESCO-Weltkulturerbe. 2021 wurde die (Kirchen-)Orgel einschließlich ihrer kleinen Schwester, der Drehorgel, zum Instrument des Jahres gewählt. Das geschah aus gutem Grund.


Seit über 500 Jahren ist die mechanische Musikerzeugung Teil des Kulturlebens in Europa. Man traf sie an öffentlichen Plätzen ebenso wie in den bürgerlichen Wohnstuben. Die Drehorgel ist seit über 200 Jahren ein ausgesprochenes Volksmusikinstrument. Verstärkt wurde dieses nach den sozialökonomischen Erschütterungen durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg. Damals versuchten zahlreiche Kriegsheimkehrer, ihre miserable Lage mit Hilfe von Drehorgelmusik in den Hinterhöfen der Städte, auf Jahrmärkten und Volksfesten wenigstens ein wenig zu verbessern. Auch in ostfriesischen Städten war das Instrument heimisch und begleitete viele Schausteller.


Durch das Aufkommen von Radio und Fernsehen gerieten das Instrument und seine Musik allerdings mehr oder weniger in Vergessenheit.


Die Renaissance brach Anfang der 70er-Jahre an. 1969 gründete eine Gruppe von Schaustellern den „Club Deutscher Drehorgelfreunde“, der zeitweilig über 1000 Mitglieder besaß. Jetzt kam diese Musik allerdings in einem völlig neuen Kleid daher. Vergleichsweise betuchte Bürgerinnen und Bürger schwelgten damit in historischen Erinnerungen, die aber radikal umgedeutet wurden. Statt der oft aus dem Lumpenproletariat stammenden Spieler des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, schmückten sich ihre Nachfolger in den letzten Jahrzehnten mit historischen Kostümen: Hüte, lange ausladende Kleider und oft alte Modelle von Schirmen zierten die Damen, Anzüge, Krawatten, Fliegen und Zylinder in der Regel die Herren.


In der ostfriesischen Region erreichte dieser Trend vor allem Norden, Emden und Leer. Etliche Festivals und Konzertveranstaltungen verschafften der einschlägigen Drehorgelliteratur Gehör. Einzelne Originale sind auch heute noch im Bewusstsein älterer Veranstaltungsbesucher verankert.


Heute ist dieser Boom vorbei. Die einschlägige Community schrumpft dramatisch. Denn sie ist hoffnungslos überaltert und wartet meist vergeblich auf Nachwuchs. Auch die Nachfrage nach dieser Art von Musik geht drastisch zurück. Die Gründe liegen auf der Hand. Das Repertoire des durchschnittlichen Drehorgelspielers/der durchschnittlichen Drehorgelspielerin ist veraltet und meist bei traditionellen Wander- und Schunkelliedern, Märschen, Walzern sowie angestaubten Schlagern stehengeblieben.


Nur wenige Musikanten versuchen, wirklich moderne Drehorgelsongs zu präsentieren oder gar mit zeitgenössischen Stücken zu experimentieren. Der Mainstream folgt der weit zitierten Maxime: „Moderne Hits werden nach zwei Monaten vergessen; Walzer von Richard Strauss wird es auch in 100 Jahren noch geben!“. Als Folge droht Drehorgelmusik in einer kaum mehr wahrzunehmenden Nische ihr Leben zu fristen und am Ende im Museum zu enden. Damit einher steht auch der Verlust des volksnahen Kulturkonsums.


Neuanfang mit modernem Angebot


Ziel des hier verfolgten Konzepts ist es, einerseits an ostfriesische Traditionen der Drehorgelpräsentation anzuknüpfen, andererseits die Modernisierung der Drehorgelmusik voranzutreiben, um zu zeigen, dass die Instrumente praktisch jede Musikform bedienen können und damit längst nicht zum „alten Eisen“ gehören. Analog soll Drehorgelmusik wieder für jüngeres Publikum attraktiv werden. Neben „zeitgenössischerer“ Musik soll das durch das Angebot erreicht werden, sich im guten Sinne traditioneller Volksmusik an der Präsentation zu beteiligen – sei es durch das Bereitstellen von Liedertexten, Klanginstrumenten oder Workshops. Das Motto lautet „Liaison von Weltoffenheit und regionaler Verbundenheit“. Dabei soll auch der Blick über die Grenze in die Niederlande dortige Traditionen und ihre Perspektiven einbinden.


Gerade auf Grund ihrer Geschichte und sozialen Verwurzelung ist die Drehorgel ein Instrument, das demokratische Prinzipien in der aktuellen Kulturszene und darüber hinaus verstärken kann: Ein Instrument für die breitere Bevölkerung, das nicht elitär, sondern im Sinne der emanzipatorischen Gleichberechtigung zum Mittun animiert. Mehr noch: Drehorgeln können hochartifizielle historische, klassische und moderne Musik herunterbrechen und für große Bevölkerungsgruppen interessant und annehmbar machen im Sinne von „demokratischer Musik“.


So führt das Projekt Akteure der Drehorgelmusik zusammen, Komponisten, Arrangeure, Drehorgelspieler, Veranstalter und unterschiedliche Publikumsgruppen. Damit sollen neue Wege in Musik und Gemeinschaft ausgelotet werden. Sinnstiftende und integrative Wirkungen sowie die gewünschte Sozialisation des Individuums in eine demokratische Gesellschaft sind ausdrücklich gewollt.


Erwartet wird dadurch auch eine Verbesserung der Attraktivität öffentlicher Plätze, die Stärkung regionaler Kulturarbeit mit außergewöhnlichen Aktivitäten und zugleich die Entwicklung von Motivationen junger Menschen, sich an ein Instrument mit langer Geschichte zu wagen.




Aktuelle Beiträge

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Kirchenkonzerte

Hier einige Stücke und Fotos von Kirchenkonzerten in Aurich und Weener: https://www.youtube.com/@Drehorgel-Ostfriesland/videos https://magentacloud.de/s/2XZZC2P5tY4ke2S?fbclid=IwAR3iBORBtO0e2bnrPwsMjQ

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